Mit dem Amazon Fire Phone steigt der Internetriese in einen umkämpften Markt ein und will mit exklusiven Features sowie dem eigenen Ökosystem punkten. Jeff Bezos ist drauf und dran, Apple mit den eigenen Mitteln Konkurrenz zu machen.
Image may be NSFW.Clik here to view.

Das Fire Phone kann natürlich auf Amazons breites Angebot zugreifen.
Es scheint viele Jahrzehnte her, dass Amazon nichts weiter war als ein Online-Buchhändler. Inzwischen sind sie das größte Internet-Kaufhaus der Welt und zudem mit ihren Cloud-Diensten ein Rückgrat des Webbusiness. Spätestens mit dem Fire Phone muss man Amazon nun auch noch als Hardware-Hersteller bezeichnen. Was mit den Kindle E-Readern anfing, wurde mit den Fire Tablets, der Streamingbox Fire TV und nun dem Fire Phone zu einem umfassenden Angebot ausgebaut. Dabei stützt sich Amazon auf eine stark wachsende Zahl treuer Kunden – aber längst nicht nur. Mit dem Fire Phone zeigt das Unternehmen, dass es sowohl bei Hardware als auch bei Software eigene Innovationen liefern will und kann.
Amazon Fire Phone | |||
| |||
Zum Starten der Fotostrecke auf ein Bild klicken (11 Bilder) |
Die technischen Daten des Fire Phone will ich hier nicht herunterbeten – man findet sie bereits etliche Male im Netz, zum Beispiel in Amazons Pressemitteilung. Die wichtigsten Anmerkungen dazu: Mit 4,7 Zoll Diagonale hat das Display exakt die Größe, die man auch bei vielen Android-Geräten findet und die Apple (angeblich) mit dem nächsten iPhone ebenfalls anpeilt. Im Innern findet sich ordentliche, aktuelle Hardware. Besonders die 13-Megapixel-Kamera auf der Rückseite wurde hervorgehoben, die vor allem in schwierigen Lichtverhältnissen bessere Ergebnisse erzielen soll und zudem eine optische Bildstabilisierung besitzt – Apple iPhone 5S und Samsung Galaxy S5 mussten hier zum Vergleich herhalten.
Es reicht Amazon-Gründer Jeff Bezos aber offenbar nicht, einfach ein Gerät wie alle anderen zu bauen und es dann zum Spottpreis über die eigene Website zu verkaufen. Funktionieren würde dieses Modell vielleicht sogar, wenn man die Reichweite von amazon.com bedenkt. Stattdessen nutzt das Fire Phone wie schon die Tablets ein komplett auf Amazon ausgerichtetes Betriebssystem. Das basiert zwar auf Android, aber davon ist nicht mehr wirklich viel zu sehen. Darüber hinaus gibt es etliche interessante Features und Details:
- Die Nutzer bekommen unlimitierten Cloud-Speicherplatz für ihre Fotos.
- Das Headset soll sich dank flacher Kabel nicht verheddern. Die Kopfhörer selbst haben Magneten integriert und halten beim Transport auf diese Weise zusammen.
- Der Live-Kundensupport „Mayday“ ist ebenfalls integriert: Hat man eine Frage zum Gerät, startet man die entsprechende App und soll rund um die Uhr innerhalb von maximal 15 Sekunden mit einem Service-Mitarbeiter verbunden sein. Diesen Service kennt man bereits von den Fire Tablets.
- Zumindest die ersten Vorbesteller bekommen ein Jahr „Amazon Prime“ kostenlos hinzu – das kostet ansonsten 99 US-Dollar.
- „Firefly“ nennt Amazon eine App samt Service, bei der das Phone Produkte und andere Dinge selbstständig erkennen kann – beispielsweise auch Mail-Adressen, Telefonnummern, Musik und mehr. Gezeigt wurden bei der Präsentation gestern in Seattle darüber hinaus kommende Features: Firefly wird dann Kunstwerke erkennen, fremdsprachige Texte übersetzen oder auch Weine anhand ihres Etiketts identifizieren. Zudem können Entwickler eigene Apps rund um diese Feature programmieren. Wie wichtig Amazon die Funktion ist, zeigt ein Detail: Es bekommt einen eigenen Hardware-Button unterhalb der Lautstärketasten. Dieser Knopf dient dabei generell dazu, die Kamera zu starten.
- Und nicht zuletzt „Dynamic Perspective“: Dieses Feature war schon seit Längerem durch die Gerüchteküche gegeistert. Und tatsächlich: Das Fire Phone hat vier zusätzliche Kameras auf der Frontseite nur dafür. Das Gerät kann damit und dank ausgeklügelter Algorithmen die Position des Kopfes des Nutzers erkennen. Darüber lässt sich dann ein 3D-Effekt erreichen: Kippt man das Gerät beispielsweise nach links oder rechts, verhalten sich Inhalte auf dem Display so, als stünden sie im Raum hintereinander. Das erinnert an den „Parallax”-Effekt, den Apple in iOS 7 integriert hat, allerdings ist es technisch wesentlich aufwändiger umgesetzt. Und das hat einen Grund: Amazon hat offenbar noch einiges damit vor. Jeff Bezos zeigte auf der Bühne diverse Anwendungsfälle. 3D-Sperrbildschirme sind da eher noch Spielereien, um Freunde zu beeindrucken. Etwas sinnvoller wird es schon bei der Karten-App mit ihren 3D-Modellen. Zudem soll das Feature auch zur Navigation in Apps dienen und die Bedienung mit einer Hand vereinfachen – wobei man hier allerdings skeptisch bleiben sollte: Andere haben sich an ähnlichen Dingen bereits versucht, aber mehr als ein Effekt mit zweifelhaftem Alltagsnutzen ist dabei nicht herausgekommen. Insofern stellt sich schon die Frage, warum Amazon diesen enormen Aufwand für etwas treibt, das im Moment nicht mehr als ein Gimmick scheint. Vielleicht braucht man auch einfach diesen „Wow“-Effekt, damit über das Fire Phone von ganz allein berichtet wird.
Vieles erinnerte bei der Präsentation dabei an Apple und damit ist nicht nur der Aufbau des Events sowie der gesamte Style gemeint. So betonte Jeff Bezos, wie wichtig ihnen das Vertrauen ihrer Kunden sei und wie viel Mühe sie auch in kleinste Details investieren würden. Zudem bringen sie das Fire Phone in exakt einer Modellvariante heraus mit zwei Speichervarianten – frei nach dem Motto: lieber wenige Dinge gut, als viele Dinge mittelmäßig. Und nicht zuletzt die exklusive Bindung an den Mobilfunkanbieter AT&T erinnerte an das Jahr 2007: Genau so war auch das iPhone einst auf den Markt gekommen. Das Fire Phone gibt es mit einem Zwei-Jahres-Vertrag ab 199 US-Dollar. Ohne Vertrag kostet es 649 US-Dollar, also rund 480 Euro allerdings wie in den USA üblich noch ohne Steuern.
Damit man mich nicht missversteht: Ich finde nichts Verwerfliches daran, sich bei der Konkurrenz etwas abzuschauen. Zudem hat sich Amazon eindeutig nur inspirieren lassen, aber nicht wie so mancher anderer 1:1 nachgebaut, was Apple vorgelegt hat. Das Amazon Fire Phone ist beim besten Willen keine iPhone-Kopie und Jeff Bezos hat es nicht nötig, zum Steve-Jobs-Imitator zu werden. Dennoch sind die Einflüsse klar erkennbar.
Image may be NSFW.Clik here to view.

Die Kamera im Vergleich zu iPhone 5s und Galaxy S5.
Auch die Modellpalette der Mobilgeräte ist nun Apples sehr ähnlich: Smartphone, Tablets, Streamingbox – ein stimmiges Produktportfolio, um noch mehr Kunden an sich und das eigene Ökosystem zu binden. Und da hier wie bei Apple sowohl die Software als auch die Dienste und die Hardware aus einer Hand kommen, kann Amazon ein vergleichsweise nahtloses Nutzungserlebnis bieten. Fehlt nur noch ein „Fire Laptop“. Möglich wäre ein MacBook-Air-Konkurrent mit einem Amazon OS auf Basis von Linux. Allerdings ist der Markt hier doch ein wenig anders gelagert als bei Smartphones und Tablets. Insofern scheint es mir nicht sehr wahrscheinlich. Aber wer weiß, was Amazon noch alles in seinem Gadget-Labor ausheckt.
Amazons Stärke ist dabei, dass sie neben ihrem Onlinestore bereits etliche Mediendienste aufgebaut haben: Musik, TV-Serien, Filme und natürlich Bücher sind alle bereits vorhanden. In Sachen Clouddiensten macht sowieso niemand so schnell Amazon etwas vor. Mit dem Fire Phone zeigen sie nun nach meiner Meinung, dass sie auch als Hardware-Hersteller ernstgenommen werden wollen. „Jeff Bezos’ iPhone“ ist zwar auch ein mobiler Zugang zu Amazons Ökosystem, aber so mancher wird es sich vielleicht auch aus anderen Gründen zulegen.
Noch müssen sich Apple und die Hersteller von Android-Geräten nicht vor dem Fire Phone fürchten – das aber auch nur, weil es zunächst sehr eingeschränkt erhältlich ist. Zudem hat Apple die mit Abstand stärkere Marke und Android die mit Abstand größere Vielfalt. Was aber Amazon definitiv zuzutrauen ist: der begehrte Platz 3 hinter diesen beiden und damit vor Windows Phone, BlackBerry & Co.
Image may be NSFW. Clik here to view. ![]() |
Image may be NSFW. Clik here to view. ![]() |
Image may be NSFW. Clik here to view. ![]() |
Image may be NSFW. Clik here to view. ![]() |
Image may be NSFW. Clik here to view. ![]() |
Image may be NSFW. Clik here to view. ![]() |
SPONSOREN